Drei Wochen auf dem Dach der Welt

der komplette Bericht

Schon im Februar war klar: Ich fahr nach Indien. Sehr spontan hatte ich mich zu dieser Reise entschieden, als ich in einem Internetforum gelesen habe, dass Bekannte von mir eine Tour planen. Ich meldet mich bei ihnen und schnell wurden die Flüge gebucht. Mit dabei, Gabi und Christian aus Passau und Flo aus Wien. Während Gabi und Christian sich im Ötztal und Flo sich in Norwegen für Indien einpaddelten, tummelte ich mich im Kehrwasser des Rio Minõn bei der Kanu Freestyle Europameisterschaft in Spanien. Nervös war ich vor allem weil ich dieses Jahr relativ wenig Wildwasser gepaddelt bin. Sollte das reichen, Bin ich trotzdem Fit für eine Kajakexpedition auf über 4000 Metern Höhe?

Entsprechend aufgeregt war ich, als ich am 8. August mit Gabi und Christian zum Münchener Flughafen fuhr. Flo, der schon einen Tag zuvor nach Neu Delhi geflogen ist, hatte bereits geschrieben, dass er gut angekommen ist und uns am Flughafen abholen wird.

am Flughafen
am Flughafen

Die erste Hürde auf unserer Reise waren die Türen des Franz-Josef-Strauß-Airports. Natürlich passt ein zweieinhalb Meter langes Boot nicht quer durch die üblichen Dreh- und Schiebetüren. Also, Boot runter vom Trolli, durch die Tür ziehen und wieder rauf auf den Trolli. Das ganze dann zwei bis drei mal, bis wir endlich am Sperrgepäckschalter der Lufthansa ankamen. Dort wurde dann so gut es ging um den Preis verhandelt. Im Endeffekt mussten wir uns aber geschlagen geben und
160,00 Euro pro Boot zahlen. Hilft ja nichts.

Im Flieger konnten wir dann endlich entspannen. Zwar flogen wir über Nacht, allerdings war ich so aufgeregt, dass ich nicht schlafen konnte. Nach gut sieben einhalb Stunden Flug erreichten wir den Internationalen Flughafen in Neu Delhi, der Hauptstadt Indiens. Noch nie war ich soweit weg von zuhause. Und was für eine riesige Stadt, knapp 10 Millionen Einwohner auf einer Fläche bis über den Horizont hinaus. Als wir aus dem Flugzeug stiegen, traf uns die hohe Luftfeuchtigkeit wie ein Schlag ins Gesicht. Ich war schon schweiß gebadet bevor ich den Shuttlebus am Ende der Gangway erreichte. Nach langem warten und aufwändigen Passkontrollen konnten wir auch endlich unsere Boote in Empfang nehmen. Draußen wartete auch schon Flo und dirigierte uns zum Taxi. Boote aufs Dach geworfen und ab zum Hotel. Nach einer längeren Irrfahrt kamen wir in unsere Hotelzimmer, die zum Glück klimatisiert waren, zu mindestens immer so lange wie der Strom nicht ausfiel. Was des öfteren vor kam.

Sonnenaufgang über dem Himalaya
Sonnenaufgang über dem Himalaya

Wir hatten bis zu unserem Weiterflug noch knapp 20 Stunden Zeit, in der wir uns ein Taxi mieteten und uns die Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigen ließen.


Nach einem typisch indischem Mittagessen ließen wir uns dann wieder ins Hotel bringen und schliefen, vom Jetlag bedingt schnell ein. Nachts um 3 Uhr Ortszeit mussten wir auch wieder los. Dies mal zum Domestic Airport. Mal wieder wurden wir, dank unserer Boote sehr verwundert angestarrt und ausgefragt: „Was wir denn mit diesen Plastik Dingern vor hätten?“. Freundlich erklärten wir auch zum zehnten mal, dass wir die große Zanskar Schlucht, den Grand Canyon Asiens paddeln möchten. Für die Aussage ernteten wir immer wieder kritische Blicke.

Im Gegensatz zur Lufthanse berechnete die indisch Airline DeccanFly für unser Boote nichts. Sie waren eher amüsiert über die ungewöhnlichen Gepäckstücke und hatten ihre Mühe die Kajaks auf die Waage zu legen. Wir mussten lediglich das Übergepäck von 90 Kg zahlen. Nicht ein mal 25 Eurofür jeden. Nach einem spannendem Anflug in Leh, knapp an den umliegenden Berggipfeln des Himalayas entlang, waren wir froh wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren.

 

Gabi und Christian hatten noch in Europa ein Treffen mit einem indischem Raftguide organisiert. Shallap, mit ihm wollten wir uns in den ersten Tage einpaddeln, um uns zu akklimatisieren und Informationen zu sammeln. Allerdings ließ er uns am Flughafen warten, bis wir uns selbst ein Taxi organisierten und uns zu einem Hotel in der Nähe bringen ließen. Als wir uns dort eingerichtet
hatten, zog es uns in die Stadt. Dort trafen wir dann eher zufällig Shallap. Dieser entschuldigte sich vielmals. Er hätte nicht damit gerechnet, dass die Flugzeuge heute landen würden, da sie in den Tagen zuvor, auf Grund des schlechten Wetters (Nebel und Regenfälle) immer wieder nach Delhi umkehren mussten. Es hat ja auch so geklappt. Wir gingen daraufhin erst einmal was trinken. Shallap empfahl uns einen Lasse zutrinken, ein typischer asiatischer Joghurt-Frucht Trunk, den man süß, sauer oder salzig trinken kann. Auf jeden Fall äußerst lecker, zu mindestens der süße.

Gebetsfahnen in Leh
Gebetsfahnen in Leh

Von Shallap bekamen wir Informationen über die Gegend und über seine Pläne für die nächsten Tage. Gabi und Christian wollten auf der sicheren Seite sein und den Multi-Day-Trip durch die Zanskarschlucht mit Shallap als Guide bewältigen. Flo und ich hingegen war uns das zu wenig Abenteuer. Außerdem wollten Flo und ich das derzeitige Hochwasser ausnutzen anstatt, wie Shallap abzuwarten. So kam es, dass wir uns dazu entschieden, uns von Gabi und Christian zu trennen.
Jedoch erst zwei oder drei Tage später. Zum einpaddeln gingen wir gerne mit den anderen aufs Wasser. Am Abend verlegten wir die Unterhaltungen in eine örtlich Touristenkneipe, dem Lehchend. Nach dem ein oder anderem Bier verabschiedeten sich Gabi und Christian frühzeitig. Flo und ich dagegen knüpften Kontakte mit anderen Bergsportlern. Dafür mussten wir dann Nachts noch zurück zum Hotel. In der Dunkelheit und der unbekannten Stadt kamen wir vom rechten Weg ab und benötigten statt 20 Minuten knapp eine Stunde für den Rückweg, der uns nicht ganz geheuer war.

Kajaktransport á la Indien
Kajaktransport á la Indien

Am nächsten morgen trafen wir uns um 8 Uhr mit Shallap und John, einem Schottischem Paddler der sich Gabi, Christian anschließen wollte. Danach ging es dann endlich auf den Bach. Am ersten Paddeltag zog es auf den Indus. Der größte Strom im Bundesstaat Jammu & Kaschmir. Circa 30 Kilometer befuhren wir von Leh nach Nimu. Im Raftcamp von Splash Adventures, in dem auch Shallap als Guide tätig war, übernachteten wir und fuhren am nächsten Tag die untersten 25 Kilometer der Zanskar-Schlucht. Dies war möglich, da die sich im Bau befindliche Straße durch die Schlucht schon bis nach Chilling vorgekämpft hat. Von mehreren Stellen aus, wurde bereits mit dem Bau der Straße begonnen. Es ist wahrscheinlich, dass die Straße in drei bis fünf Jahren fertig gestellt ist. Dann verliert einer der letzten großen Multidaytrips ihren Reiz. Unter anderem ein
Grund für unsere Himalayafahrt. Shallap erzählte uns das der Straßenbau von großen Energiekonzernen finanziert wird, welche nach der Fertigstellung mit dem Bau eines Staudamms beginnen wollen. Wiedereinmal eine großartige Schlucht die in Zukunft der „ökologisch Wertvollen“ Energiegewinnung zum Opfer fällt. Ein wichtiges Argument, diese fantastische Schlucht möglichst bald zu erleben.

Am Nachmittag des 12. Augusts trennten Flo und ich uns dann schließlich vom Rest der Gruppe und fuhren zurück nach Leh. Dort blieben wir allerdings nur für eine Nacht.

 

Zwei Tage zuvor hatten wir uns bereits Bus-Tickets gekauft, die uns nach Sarchu, dem Einstieg bringen sollten. Es wurde eine sehr abenteuerliche Busfahrt. Aus den zuvor angekündigten sieben Stunden wurden insgesamt neun. Auf Straßen, die in Europa nicht mal als Feldwege durch gehen würden. Dazu kam noch die Überquerung des zweithöchsten Straßenpass der Welt (5600 m). Der Pass bildet den einzigen Versorgungsweg für die Region Ladhak und ist dem entsprechend stark befahren. Der Adrenalinpegel wurde auf der engen Straße immer wieder in die Höhe getrieben.

Passüberquerung :: 5600 m
Passüberquerung :: 5600 m

Endlich, um 15 Uhr des 14. Augustes erblickten wir den Tsarap Chu, einer der beiden Quellflüsse des Zanskar. Diesen wollten wir auf rund 150 Kilometern befahren, um so zur Zanskar-Schlucht zu gelangen. Einmal laut pfeifen und schon hielt der Bus an. Irgendwo im Nirgendwo, kurz vor dem kleinem Ort
Sarchu. Wir stiegen hier ein, da der Fluss nur 200 m von der Straße entfernt fließt. Die versandeten Boote luden wir vom Dach, den Mitreisenden noch einmal schnell zugewunken und schon waren wir allein. Allein auf uns gestellt, in einer unwirtlichen und unwirklichen Welt.

Bevor wir nun wirklich los legten genossen wir noch zwei Müsliriegel zur Stärkung und packten unsere Boote. Dann ging es endlich los. Unsere ersten Paddelschläge auf 4200 Metern Höhe über Normalnull.

 

Endlich. Endlich waren wir auf dem Wasser. Vergessen waren die Torturen der letzten Tage. Immer wieder Taxi fahren, die Sachen aus- und einpacken, von einem Hotel zum nächsten und zum Schluss auch noch die neunstündige Busfahrt über die holprige Pass-Straße. Aber wir hatten es überstanden und saßen in unseren voll gestopften Kajaks auf dem Tsarap Chu, dem recht Quellfluss des Zanskar. In 4200 m Höhe spürten wir die dünne Luft arg. Allerdings weniger beim ruhigen dahin gleiten auf dem Fluss, als viel mehr beim Besichtigen oder Fotographieren am Land. Nach wenigen Schritten blieb einem einfach die Puste weg.

Camp No.1 in der Einsamkeit
Camp No.1 in der Einsamkeit

Für den ersten Tag hatten wir uns nicht viel vorgenommen, wir paddelten ein bis zwei Stunden. Das sollte für den ersten Tag reichen. Zu mal die Anfangskilometer sehr mühsam waren, da sich der Tsarap Chu stark verzweigte und teilweise sehr flach wurde. Das Wetter wollte auch noch nicht so recht mitspielen. Leichter Regen und bewölkter Himmel konnten der Landschaft jedoch nicht ihre Atemberaubende Schönheit und Einzigartigkeit nehmen.

 

Während der Busfahrt hatten wir nur wenig gegessen und bekamen daher früh Hunger und entschlossen uns schon am Nachmittag nach einem geeignetem Lagerplatz Ausschau zu halten. Hinter einer lang gezogenen Linkskurve fanden wir eine überaus schöne Wiese mit kleineren Bäumen. Perfekt um unsere, in Lehr erworbene Plane zu spannen. Ein wenig unbeholfen probierten wir mehrere Varianten aus, das Tarp optimal auszurichten. Als es dann endlich abgespannt war, wurden Schlafsäcke und Kocher aus dem Booten gekramt und Wasser aufgesetzt. Das Wasser entnahmen wir direkt dem Fluss, versuchten den Sand heraus zu filtern und desinfizierten es mit Jodtabletten. Für unser leibliches Wohl verließen wir uns auf das Fertigessen von Travellunch. Funktioniert fast wie daheim. Einfach kochendes Wasser zum Trockenkonzentrat geben und zehn
Minuten warten. Danach direkt aus der Tüte essen. Zufrieden und müde schliefen wir ein.

atemberaubene Aussicht
atemberaubene Aussicht

Als ich am nächsten Morgen mit den ersten Sonnenstrahlen aufwachte stürmte Flo grade panisch aus dem Schlafsack und rannte davon. Verwundert richtete ich mich auf und lauschte. Bis mir klar war was Flo so aufgeschreckt hatte. Unsere letzte Mahlzeit in Leh muss Flo ziemlich auf den Magen geschlagen haben. Nichts desto trotz waren wir gut gelaunt und packten unsere Boote. In den kommenden Tagen gewannen wir in dieser Hinsicht immer mehr Routine. Wir waren gespannt was der Fluss uns an diesem Tag bieten würde. Unseren Informationen nach sollte die erste Portage auf dem Abschnitt liegen. Ob wir wirklich umtragen müssen oder sich die Stelle vielleicht doch befahren lässt?

an der ersten Portage
an der ersten Portage

Zu Beginn des Tages ging es in eine enge Klamm, in der sich der Fluss auf wenige Meter zusammen stauchte. Die Schwierigkeiten erreichten jedoch maximal den dritten Grad. Wir mussten allerdings schon hier feststellen, dass es etwas ganz anderes ist mit fast 10 Kilo Extragepäck im Boot zu paddeln. Einfache und schnelle Routenänderungen waren kaum möglich. Wir waren die
ganze Zeit mit Konterschlägen darum bemüht, das Heck wenigstens grade zuhalten. Für uns bedeutete es, dass wir noch vorsichtiger und vorausschauender fahren mussten. Mit einem schummrigen Gefühl fuhren wir auch in den nächsten Box-Canyon ein. Wir konnten ihn nicht voll überblicken und das vorherige Besichtigen war ebenso wenig möglich. Uns blieb nichts anderes übrig als in die Schlucht einzufahren. Wir wussten, dass wir mit leichtem Hochwasser unterwegs waren und das heute die erste Portage kommen musste. Ein flaues Gefühl im Magen. Doch ohne Schwierigkeiten kamen wir wieder aus der Klamm heraus. Erst nach weiteren fünf Kilometern versperrten uns große Felsblöcke die Sicht. Am linken Ufer konnten wir gut anlanden und die Stelle einsehen. Unfahrbar erschien uns die Stelle nicht. Es gab sogar eine Chickenline.
Aber mit vollen Booten und der dünnen Luft wollten wir kein Risiko eingehen und umtrugen die Stelle vorsichtshalber.

Wenig später kamen wir zu einer Engstelle, die angeblich starke Unterspülungen auf beiden Seiten hat. Entsprechend vorsichtig fuhren wir an die Stelle ran. Wir stiegen auch diesmal zum Besichtigen aus und fragten uns dann ob entweder das Hochwasser alle Schwierigkeiten geschluckt hatte oder unser Informant, der uns eindringlich vor dieser Stelle gewarnt hat völlig daneben lag. Der Fluss verengt sich auf knapp einen Meter Breite. Der dortige Felsen mochte auch unterspült sein, aber wirklich schwer zu befahren war die Stelle nicht. Die nächsten 30 Kilometer waren schnell fließend im Bereich Wildwasser I-II, aber umrahmt von zahlreichen 5000 Meter hohen Berggipfeln. Am Zufluss des Lumen schlugen wir unser Camp auf. Die Sandbank bot uns reichlich Treibholz für ein zünftiges Lagerfeuer.

Tag 3
Der heutige Tag sollte der längster der Tour werden. Und der technisch anspruchsvollste.


Schon eine Kurve nach unserem dem Start an diesem Tag begann ein schöner Wildwasserabschnitt im dritten bis vierten Schwierigkeitsgrad. Der machte uns so ausgeruht richtig viel Spaß. Am späten Vormittag erblickten wir am rechten Ufer das Phuktal Compa. Das wohl spektakulärste Kloster in Ladakh. Dieses schaut wie aus dem Fels gewachsen aus. Natürlich konnten wir es uns nicht nehmen lassen und machten uns an den Aufstieg um das Kloster aus der Nähe zu betrachten. Dazu mussten wir 100 Höhenmeter am Steilhang empor klettern.


Nach einer ausgiebigen Erkundung, die schätzungsweise ein bis zwei Stunden dauerte, machten wir uns wieder auf den Weg. Der Fluss belohnte uns mit einem knackigem Viererabschnitt. Angetrieben von diesem Genuss legten wir auch die darauf folgenden zwanzig Kilometer auf leichtem Wildwasser zurück. Der Tag war nun schon lang und wir entschlossen uns nach einem Schlafplatz Ausschau zu halten. Völlig unverhofft sahen wir auf einmal die ersten Straßenbaumaschinen am linken Ufer auftauchen. Sie kündigten die Reru-Falls an. Die wohl schwerste Stelle auf dem Tsarap Chu. Geplant hatten wir, diese erst am Folgetag zu erreichen. Denn laut vorherigen Expeditionen dauert das Umtragen mehrere Stunden. Und es war schon später Nachmittag.

den Paddler kann man nur erahnen...
den Paddler kann man nur erahnen...

Daran ändern konnten wir jedoch nichts. Also stiegen wir aus und kletterten fast eine Stunde am schwierigem Ufer entlang um alle Möglichkeiten abzuwiegen. Komplett umtragen? - Zu schwer und zu Zeit aufwändig. Komplett befahren?

 

- Nach langen Diskussionen, zu gefährlich. Also blieb uns nur der Mittelweg. Wir umtrugen die ersten hundert Meter und damit den gefährlichen eingangsabschnitt. In einem Minimalkehrwasser stiegen wir wieder ein und fuhren
nach einander den unteren Teil der Reru-Falls. Promt wurden wir auch von einem allseits bekanntem Sprichwort belehrt: „Was von oben aussieht wie drei, ist meistens nicht leichter.“ Denn genauer angeschaut hatten wir uns nur den oberen Teil der Reru-Falls. Der zweite sah von oben nicht so schwer aus. Eine klare Linie war zu erkennen gewesen. Die ach so klare Linie, war vom Boot aus jedoch schwer auszumachen da man die drei Meter hohen Wellen und Walzen kaum überblicken konnte. Mit viel Geschick und ein bisschen Glück ging dennoch alles gut und wir konnten uns freuen, die schwerste Stelle hinter uns zu haben.

Bei der gesamten Aktion hatten wir viel Zeit verloren und noch hatten wir keine
Übernachtungsmöglichkeit gefunden. Dafür wurde das Wildwasser immer besser. Gut zehn Kilometer sauberstes und aller feinstes Wuchtwasser im vierten Schwierigkeitsgrad ließ unser Abenteuerherz höher schlagen. Mitten drin erblickten wir sogar eine Kiesbank, die uns als geeignet erschien. Um etwa 19 Uhr stiegen wir aus den Booten. Was ein Tag. Gute neun Stunden waren wir unterwegs gewesen.

Thomas nimmt Kurs auf die Walze
Thomas nimmt Kurs auf die Walze

Bei der gesamten Aktion hatten wir viel Zeit verloren und noch hatten wir keine
Übernachtungsmöglichkeit gefunden. Dafür wurde das Wildwasser immer besser. Gut zehn Kilometer sauberstes und aller feinstes Wuchtwasser im vierten Schwierigkeitsgrad ließ unser Abenteuerherz höher schlagen. Mitten drin erblickten wir sogar eine Kiesbank, die uns als geeignet erschien. Um etwa 19 Uhr stiegen wir aus den Booten. Was ein Tag. Gute neun Stunden waren wir unterwegs gewesen.

Tag vier. Als wir aufwachten stand die Sonne schon höher als gewohnt. Kein Wunder, war Gestern doch ein langer Tag und wir hatten die Pause einfach nötig. Wir hatten uns das Phuktal Kloster angeschaut und die schwerste Stelle des Tsarap Chu bewältigt. Geendet hatte der Tag mit schönem non-stop Wildwasser vier. Und so sollte es auch weiter gehen. Ein paar Kilometer beglückte uns der
Fluss von seiner schönsten Seite. Das einzig störende war die Straße am Flussufer, die uns mittlerweile begleitete.

Auffüllen der Trinkflaschen
Auffüllen der Trinkflaschen

Der schöne Wildwasserabschnitt nahm sein Ende. Dafür wurde der Tsarap wieder enger. Jedoch nicht für lange Zeit. Nach einer Klamm öffnete sich vor uns ein riesiges Tal. Dies konnte nur bedeutete das der Zusammenfluss von Tsarp Chu und Doda nicht mehr weit war. Am Anfang des Tals lag der Ort Padum. Will man nur die Zanskar-Schlucht befahren, könnte man die Tour auch von hier aus beginnen. Wir jedoch machten in Padum nur eine kleine Pause und freuten uns nach mehreren Tagen wenigstens etwas Zivilisation vorzufinden. In einem kleinen Laden kauften wir uns was zutrinken. Eine wahre Abwechslung die wir uns redlich verdient hatten. Mit unseren Paddelsachen hielten wir es nicht lange in der Hitze aus und machten uns daran weiter zukommen.

unser camp
unser camp

Es folgten gut 40 Km Flachwasser mit kleinen Kiesbankschwällen und einer brüllenden Hitze die uns fast umbrachte. Um wenigstens unsere Gesichter vor der Sonneneinstrahlung zu schützen, bastelten wir uns aus Schaumstoffresten - die eigentlich als Fittingmaterial dienten - zwei provisorische Sonnenschirme. Und die Hände wurden so oft wie möglich eingecremt. Der folgende Abschnitt war langweilig. Dafür bot die Landschaft einen unglaublichen Anblick. Ich habe noch nie so viele Gletscher in einer so unwirklichen Welt gesehen wie im Quellgebiet des Zanskar. Einfach Atem beraubend. Allerdings waren wir froh als sich das Tal wieder verengte, der Fluss wieder schneller wurde und sich die große Zanskar Schlucht unserer annahm. Noch etwa 100 Kilometer lagen nun vor uns. Und auf den nächsten 80 Kilometern waren wir endgültig abgeschnitten vom Rest der Welt. Kein Wanderweg, kein Trampelpfad begleitete uns in diesem Bereich. Doch bevor es weiter ging hieß es erst einmal wieder Lager aufbauen. Inzwischen bauten wir aus Plane, Booten und teilbarem Paddel das ultimative Schlafgemach für Kanuten.

Am nächsten Tag genossen wir die Einsamkeit der Schlucht. Wunderten uns immer wieder über die ungewöhnlichen Gesteinsformationen und -Farben die wir erblickten. An einem klarem Seitenbach unterbrachen wir unsere Tour für eine Pause und um unsere Trinkflaschen zu befüllen. Bei einem Blick auf die Karte waren wir überrascht wie gut wir voran kamen. Die Strömung in der Schlucht
musste um einiges höher sein als am Tag zu vor. Wir schätzten die Lage ab und kamen zu dem Entschluss, das wir uns heute früher als sonst einen Lagerplatz suchen sollten. Einfach um die Abgeschiedenheit noch mal richtig zu genießen. Wären wir den ganzen Tag weiter fahren, hätte es gut sein können, dass wir schon am späten Abend den letzten Teilabschnitt der Schlucht erreicht hätten, an dem uns dann schon die Straße aus Nimu entgegen gekäme.

Somit unterbrachen wir unsere Fahrt schon am frühen Nachmittag. Ich nutzte die „freie“ Zeit für ein kleines Nickerchen während Flo den Bachlauf erkundete, an dessen Mündung wir unser Camp aufschlugen. Vor lauter Langeweile und mit dem guten Gewissen, das wir am nächsten Abend wieder die Zivilisation erreichten, verschlangen wir Unmengen an Essen und vernichteten unsere Vorräte.

Am nächsten Tag erreichten wir nach circa 30 Kilometern jenen Abschnitt welchen wir schon vor einer Woche zum einfahren gepaddelt waren. Leider mussten wir feststellen, dass der Wasserstand inzwischen gut einen halben Meter gefallen war und dies wirkte sich stark auf die Strömungsgeschwindigkeit aus. In machen Bereichen pulsierte das Wasser so stark, dass man das Gefühl hatte, man paddle gegen die Strömung. Am Nachmittag erreichten wir die Mündung in den Indus und wenige Kurven weiter das Raftcamp in Nimu, unser Ziel. Unglaublich, wir hatten es geschafft. Glücklich und Zufrieden fielen wir uns in die Arme und schälten uns aus den Paddelsachen. Im Camp bekamen wir was zu Essen und fanden sogar noch am gleichen Tag eine Mitfahrgelegenheit nach Leh. Zum Ausgangspunkt unserer Reise.

Schon auf der Fahrt dahin diskutierten wir die weiteren Möglichkeiten und versuchten uns am Abend über neue Ziele zu informieren. Zufällig trafen wir eine sechs köpfige Truppe aus England die am nächsten Tag die Zanskar-Schlucht angehen wollte und uns bzgl. Tipps ausfragte. Wir wiederum erfuhren, dass sich in der Nähe von Kargil der wohl beste Fluss Kaschmirs befindet. Der Drass River. Ebenfalls ein Seitenfluss des Indus, jedoch 250 Km flussabwärts. Das hieß, dass
wieder eine lange Busfahrt in Kauf genommen haben. Diese buchten wir am nächsten Morgen noch für den gleichen Abend. Und es ging weiter.

Nach unserem Multidaytrip und sieben Tage Trockenfutter genossen wir ein wunderbares Frühstück im „World's Garden Cafe“ in Leh. In der Provinzhauptstadt fühlten wir uns schon irgendwie heimisch. Nur lange sollte es so nicht bleiben. Unsere Zeit im Himalaya war begrenzt und wir wollten noch so viel wie möglich paddeln. Daher hatten wir uns bereits gestern nach unserer Ankunft Bustickets nach Kargil gekauft. Um 15 Uhr ging es diesmal los. Laut Busfahrer sollte die Fahrt nur sieben Stunden dauern. Anfangs kamen wir auch gut voran, da die Straßen in jenen Bereichen gut ausgebaut waren. Doch dies änderte sich schnell. Nach etwa 80 Kilometern wurde es immer holprige und es ging mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 20 Km/h weiter. Im Endeffekt haben wir satte neun Stunden gebraucht und kamen mitten in der Nacht an. Bis auf ein paar Bauarbeiten war in Kargil nicht viel los. Im ersten Moment kamen wir uns etwas verloren vor, aber während ich bei der Ausrüstung blieb machte sich Flo auf, eine Bleibe für die Nacht zu suchen. In einem schäbigen Hinterhof wurde er dann zum Glück auch schnell fündig.

Am nächsten Tag stellten wir fest, dass Kargil lange nicht so touristisch ist wie Leh. In mancher Hinsicht ein Nachteil für uns. Vergeblich klapperten wir sämtliche Restaurants ab. Jedoch konnte uns keines mit Frühstück versorgen. Daher mussten wir uns mit trockenem Brot begnügen. Nach dem wir halbwegs satt waren, ließen wir uns zu der Ortschaft Drass bringen. Vorbei an etlichen „War Battle Schools“ und anderen militärischen Einrichtungen. Wir spürten deutlich die Nähe zu
Pakistan, und das die Lage, neun Jahre nach dem Krieg immer noch angespannt ist.

Nach einer zweistündigen Taxifahrt erreichten wir das verschlafende Örtchen Drass. Wir konnten den Fahrer überreden noch ein paar Kilometer flussauf zufahren, bis wir einen guten Einstieg fanden. Der Tag war einer der wärmsten den wir bisher erlebt hatten und wir wollten so schnell es ging in Boote. Gesagt getan. Voller Vorfreude überraschte uns allerdings ein paar hundert Meter nach dem Einstieg eine enge Klamm die sich bis auf 30 cm verjüngte. Also, wieder raus aus den Booten und knappe 1000 Meter tragen. Das und die Diskussion mit dem Taxifahrer hätten wir uns gut und gerne sparen können.

Nach der Engstelle blieb das Wildwasser im zweiten Schwierigkeitsgrad. Landschaftlich konnte der Drass River allerdings, wie auch schon der Tsarap Chu und Zanskar überzeugen und begeistern. Am Nachmittag wurde es dann auch endlich interessanter. Große Felsen versperrten uns die Sicht und wir stiegen am Ufer hoch. Was wir dann sahen ließ unser Paddlerherz höher schlagen. Ein
schöner fünfer Katarakt mit ordentlich Gefälle. Flo überließ mir den Vortritt, damit ich im Mittelteil aussteigen und filmen konnte. Mit vollen Boot kribbelt es immer noch ein bisschen mehr in den Fingern und ich unterschätzte auch gleich mal die Strömung bzw. mein Beschleunigungsvermögen. Das führte dazu, dass ich die Linie nicht traf und nach der ersten Stufe rollen musste. Kurz vor der zweiten kam ich wieder hoch, schaffte es aber nicht mehr mein Boot auszurichten. Mit viel Glück und ein wenig Geschick kam ich dennoch über den Rücklauf der zweiten Stufe hinaus und kam keuchend ins Kehrwasser. Ein
erhobener Daumen für Flo, das alles Ok war und Flo kletterte zurück zum Boot. Er wählte eine andere Route, bemessen nach den neuesten Erkenntnissen und fuhr die ersten beiden Stufen sauber. Unterschätzte dann jedoch eine kleine Walze und musste daraufhin den zweiten Teil des Katarakts ohne zu scouten direkt fahren. Von oben sah ich nur, dass er ein zwei mal im Sidesurf hing und
einen größeren Felsen touchierte. Nichts passiert. Hier durfte ich dann mit einer sauberen Linie mein Gewissen beruhigen.

Nach dem sportlich Abschnitt ging es ruhig weiter. Wir suchten uns einen Schlafplatz und schlugenzum letzten Mal ein Lager unter freiem Himmel auf.


Herrlicher Sonnenschein weckte uns. Die Ausrüstung verschwand wieder im Boot und weiter ging es. Am Vortag zweifelten wir schon stark an der Einschätzung der englischen Paddler. Sie sprachen im Zusammenhang vom Drass River von non-stop Wildwasser vier und vom besten Fluss Kaschmirs. Der Fluss ließ uns am zweiten Tag aber nicht lange warten und beglückte unsere Seele mit schönsten Pool-Rapid Wildwasser. Unseren Augen konnten wir kaum trauen als von links ein
glasklarer Seitenbach mündete. Der erste wirklich Wasser führende Fluss mit klarem Nass! Da wir noch keine Pläne für die nächsten Tage hatten, beschlossen wir alles daran zu setzen den Drass-Zufluss zu befahren. Doch zuerst einmal musste der Drass River bis nach Kargil bezwungen werden.

Kurz vor dem Ausstieg begegneten wir am Ufer einigen Indern, die mit langen Stangen die Uferbereiche absuchten. Sie erzählten uns, dass eine Woche zuvor ein Freund von ihnen ca. 60 Kilometer oberhalb in Wasser gefallen sei. Sie fragten, ob wir ihn gesehen hätten. Wir verneinten, und um ehrlich zu sein war ich darüber froh.

Abends in Kargil suchten wir das Continental Hotel auf, in dem wir uns wohler fühlten als in derNacht zu vor.
Am nächsten morgen hatten wir wieder das Problem mit dem Frühstück. Unsere letzten Müslireserven mussten nun herhalten. Dazu viele Schokoriegel und Kekse die wir uns im Ort kauften. Gesättigt suchten wir uns ein Taxi, das uns zum Shingo River bringen sollte - so hieß der glasklare Bach. Unser Taxifahrer, ein junger Kerl fuhr im Gegensatz zu seinen Kollegen einen sehr rasanten Fahrstil. Auch nach dem Hinweis, dass die Boote nicht sehr fest seien, ließ er sich nicht
von seinen riskanten Fahrmanövern abbringen. Bis er dann einmal stärker bremsen musste und unsere Kajaks weiter fuhren bzw. flogen. Mitten in der Pampa weigerte er sich dann uns noch weiter zu fahren. Zu groß die Angst die Boote wieder zu verlieren. So standen wir am Straßenrand, mitten im Himalaya. Samt Ausrüstung und wussten nicht wirklich was wir tun sollten. Doch die Rettung kam von selbst. Keine zehn Minuten dauerte es, da hielt ein Hühnertransporter und bot an uns mitzunehmen. Das ließen wir uns nicht zwei mal sagen. Leider war der einzig freie Platz auf dem Dach in knapp drei Metern Höhe. Aber was solls. In der einen Hand das Boot, in der anderen der Haltegriff am Dach. Mit flauen Magen kamen wir am Shingo River an und bedankten
uns in Form von Barem beim Fahrer.

Da wir vorher nicht wussten wie wir am Shingo River weiter kamen und uns schon darauf eingestellt hatten die Kajaks tragen zu müssen, hatten wir auf jegliche zusätzliche Ausrüstung verzichtet. Es führte nämlich nur ein Trampelpfad am Fluss hoch. Zufälliger Weise bereitete grade eine Gruppe Inder ihre Packesel vor. Nach einem kurzem Wortwechsel waren sie bereit uns samt
Kajaks den Shingo River hoch zu tragen. Sie gaben uns jedoch den Tip, vorher mit dem Militärposten zu sprechen. Erst jetzt bemerkten wir den Posten in einer kleinen heruntergekommenen Hütte. Ein Offizier in Flecktarnkleidung und Badesandalen erklärte uns, dass wir eine Erlaubnis bräuchten. Die könnten wir eventuell im nächsten Stützpunkt erhalten. Wieder einmal wartete ich bei der Ausrüstung während Flo sich per Anhalter auf den Weg machte. 

Knapp eine Stunde war Flo unterwegs, als er mit grimmiger Miene zurück kam. Man hatte ihn von einer Basis zur nächsten geschickt und immer wieder auf höhere Kommandanten verwiesen. Im Endeffekt sollten wir nach Kargil gehen und uns mit dem dortigem Bataillonskommandeur in Verbindung setzen. Da wir das heute nicht mehr schaffen würden, beschlossen wir den Drass River noch mal bis zur Mündung zu fahren und uns am Nachmittag um die Erlaubnis zu bemühen.

Nachmittags in Kargil angekommen liefen wir von einem Militärposten zum nächsten, bis wir einen fanden der englisch sprechen konnte. Es kostete uns viele Erklärungen und Mühen bis wir endlich über ein Funkgerät mit dem Bataillonskommandeur sprechen durften. Leider ließ sich auch dieser nicht überzeugen. Das Problem sei, das der Shingo River ca. 20 - 25 Kilometern an der
Pakistanische Grenze liegt und das indische Militär dürfe nicht im Grenzbereich agieren. Wenn uns nun, als Touris etwas zustöße, könnten sie uns nicht helfen. Allerdings sagte er, dass wir vielleicht in der indischen Hauptstadt Neu Dehli eine Erlaubnis kriegen könnten. Alles klar. Für unsere nächste Indienreise wissen wir es dann.

Frustriert überlegten wir nun was wir mit der restlichen Zeit noch anstellen sollten. Wir fanden in Kargil keine Informationsquelle, bei der wir uns über andere Flüsse hätten informieren können. Wir erkundigten uns nach den Abfahrtszeiten der Busse Richtung Leh. Der nächste fuhr erst am Abend des drauf folgenden Tags. So beschlossen wir zum dritten mal den unteren Drass zu fahren. Wir unterhielten uns viel mit den Einheimischen, die am Ufer standen. Am Abend stiegen wir wieder in
den Bus. Diesmal brauchten wir für die 250 Kilometer lange Strecke bis nach Leh - sage und schreibe - elf Stunden!! Das lag unter anderen daran, das zwei Reifen platzten und diese erst geflickt werden mussten, bevor es weiter gehen konnte.

In Leh verbachten wir die letzten zwei Tage ohne zu paddeln, da wir unsere Sachen während des Fluges trocken haben wollten. Ein Tag vor unserem Abflug wurde es doch noch mal spannend. Wir hatten beide kein Bargeld mehr und der einzige Geldautomat in Leh funktionierte nicht. Wir hatten nicht mehr genug Geld für das Hotel, geschweige den für das Taxi zum Flughafen. Zum Glück kamen wir im Endeffekt über unsere Kreditkarten an Bares. Wenn auch zu hohen Gebühren.

Bei unserem Rückflug nach Dehli hatten wir bestes Wetter und konnten die Zanskar-Schlucht noch ein letztes mal sehen. Von oben, so dass wir dessen Verlauf verfolgen konnten. Schon komisch, wie klein und nah alles von oben wirkt.