Geschichte des Kanu Freestyle

Der Kanusport hielt seinen Einzug in Europa in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als der Schottische Rechtsanwalt John Mac Gregor erstmals mit einem vier Meter langen Holzboot Flussläufe in England, Frankreich, Schweden, Deutschland und Palästina, sowie Abschnitte der Meeresküste befuhr. Als Vorbilder für erste kanuähnliche Boote dienten die Kajaks der Eskimos bzw. die Canoes der Indianer Nordamerikas. Aus einem Gerüst aus Knochen und Holz, das mit Seehundfell überzogen war, bestand die Urform des Kajaks. Das heute noch verwendete „Faltboot“ ist ein direkter Abkömmling davon. (Obstoj, 1989, S. 16)

Rodeo als Fun-Sport (ROWE, 1990, S. 85)
Rodeo als Fun-Sport (ROWE, 1990, S. 85)

Das Kanu gab dem Hobbysportler die Gelegenheit, sich der Natur in ihrem beeindruckendsten Element gegenüberzustellen. Instinktives Verlangen und ständige Weiterentwicklung des Materials verleiteten Kajakfahrer, immer wildere Flüsse zu bewältigen. Im Laufe der Zeit wuchsen Mut und Können einiger Abenteurer so an, dass sie gezielt große Wellen und Walzen, die zuvor gemieden wurden, ansteuerten und schließlich versuchten Herr über die Wassermassen zu werden wie Cowboys, die wilde Pferde zähmen.


Das Ziel hatte sich also geändert: anstatt die Schwierigkeiten zu umfahren, galt es nun, ihnen direkt ins Auge zu sehen. Begonnen beim Meilensurf und der Rakete brachte der Spieltrieb am laufenden Band neue Manöver und Figuren, genannt „Moves“, zum Vorschein. Da es anfangs eher darauf ankam, sich möglichst lange auf einer Welle zu halten ohne zu kentern, glich diese Art des Kanusports stark dem Ritt auf einem bockigen Bullen und wurde folglich „(Kanu-) Rodeo“ genannt.

Das „Rodeo Fahren“ erfreute sich aufgrund des hohen Spaßfaktors schnell einer großen Beliebtheit, die es vor allem in den USA der 70er/80er Jahre zu einer Trendsportart unter den Kanuten werden ließ. (www.kanu.de). Im Zuge sogenannter „Rodeos“ (frühere Bezeichnung für Kanu-Freestyle-Wettkämpfe) trafen sich Paddler an Orten, den „Spots“, wo sie eine geeignete Welle/Walze, ein „Feature“, vorfanden. Die Regeln waren meist einfach, denn wer die spektakulärste Aktion zeigte, hatte gewonnen.

 

Als Vater des Kanu Rodeos in Deutschland gilt Jan Kellner, der mit zahlreichen internationalen Siegen, darunter der Weltmeistertitel von 1991 (erste Kanu-Freestyle-WM), immer noch zu den erfolgreichsten europäischen Rodeo-Wettkämpfern zählt. Außerdem prägte er den Sport durch die Entwicklung neuer (kürzerer) Bootstypen. (www.eskimo.de)

Seit den Anfängen gab es in diesem Sport zahlreiche Veränderungen im Material und im Regelwerk. Allein durch die reduzierte Länge heutiger Kanus (180cm im Vergleich zu 400cm) eröffneten sich neue Möglichkeiten, die bald feste Wettkampfbestimmungen verlangten. Mit solch einem Regelwerk wurde schließlich 2004 eine offizielle Europameisterschaft des Dachverbandes „European Canoe Association“ (ECA) und 2007 die erste Weltmeisterschaft unter der Fahne der International Canoe Federation (ICF) möglich. Seit der Etablierung offizieller Regeln wird der Sport „Kanu Freestyle“ genannt.

 

Text: Jakob Ehrl