Kanu Freestyle als Leistungssport

Im Laufe der letzten Jahre hat sich Kanu Freestyle in vielseitiger Hinsicht zum Leistungssport entwickelt. Dies zeigt vor allem die gestiegene Zahl derer, welche die Wettbewerbe nicht mehr nur als Party-Events ansehen, sondern sich in langwierigem Training darauf vorbereiten.

 

Technische Aspekte

 

Bei der Vielfalt von Moves, die ein Freestylefahrer für den Wettkampf beherrschen muss, wird klar, dass an die Technik als Oberbegriff für Timing und Koordination besondere Anforderungen gestellt werden. Das Folgende handelt lediglich von wettkampfrelevanten technischen Fertigkeiten, welche im Feauture selbst zur Anwendung kommen. Die Grundschläge, Stützen, Eskimotieren und das Erreichen von Feautures werden vorausgesetzt, da ihre Beschreibung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.

 

Zusammenhang von Technik und Kraft 

 

Da sich Bewegungen im Kanu-Freestyle-Sport, wie in vielen anderen Sportarten, aus verschiedenen Faktoren zusammensetzen, wird vorab die Bedeutung der einzelnen Komponenten geklärt.

 

Technische Perfektion steht im Vordergrund, da ohne den korrekten Einsatz des Körpers und des Materials ein Paddler beim Erlernen von komplexen Bewegungsabläufen kläglich scheitern würde. Dazu kommt die Notwendigkeit des Feingefühls, das ihn befähigt, die Kraft des Wassers für sich zu nutzen, anstatt dagegen anzukämpfen.

 

Reichen die technischen Fertigkeiten jedoch erst einmal als Basis für einen Move – also sobald eine Bewegung im Ablauf beherrscht wird – so kommt der Kraft mehr und mehr Bedeutung zu. Das heißt, um die Bewegung auf hohem Niveau auszubauen, benötigt man Kraft, wenn mit technischen Verbesserungen beispielsweise keine Erhöhung der Flugbahn mehr möglich ist. Zudem hilft ein gewisses Maß an Kraft oft bei der Kompensation kleinerer technischer Fehler. Zusammengefasst lässt sich sagen: „There comes a point when you simply need to pull harder!” (WHITING, 2002, S. 31)

 

Allgemeine Grundlagen der Paddeltechnik im Rodeoboot

 

Für den Rodeofahrer stellt das „Wassergefühl“ die Basis seines Könnens dar. Wassergefühl meint vor allem die Fähigkeit, Energie der Strömung in eigene Bewegungen gezielt einfließen zu lassen. Beim Surfen von Wellen und Walzen spielen die nachfolgenden Kriterien eine wichtige Rolle.

 

Körperposition und Paddelhaltung 

 

Die Kraftübertragung vom Körper aufs Wasser findet über die Paddelblätter und das Boot statt. Um diese möglichst ökonomisch und mit wenig Verletzungsrisiko umzusetzen, erscheint es essentiell, die körperlichen Eigenschaften zu beachten. Zunächst ist der Rumpf als stärkster Teil des Körpers anzusehen und soll deshalb Zentrum und Ursprung jeglicher Bewegung sein. Zur Übertragung der Kraft dienen einerseits die Arme und andererseits die Beine.

Um schließlich Kraft maximal über das Boot aufs Wasser zu bringen, ist es nötig, dass sowohl die Oberschenkel und die Füße, als auch die Hüfte selbst möglichst gut mit dem Boot verbunden sind und wenig Spiel haben. Dies lässt sich mittels genauer Abstimmung des Sitzes und der Schenkelstützen erreicht. Entscheidend ist auch, dass der Körperschwerpunkt (KSP) stets mittig liegt, weil dadurch Drehungen in sämtliche Richtungen erleichtert werden. Bezüglich der Körperhaltung sollte auf eine leichte Vorlage geachtet werden.

 

Die Haltung des Paddels wird umgangs-sprachlich als „Paddelbox“ bezeichnet, weil die abgewinkelten Unterarme mit dem Paddelschaft vor dem Oberkörper ein Rechteck einschließen. Aus verletzungsprophylaktischen Gründen kommt es darauf an, dass beide Ellbogen vor der Schulterachse bleiben. Diese Haltung fördert außerdem den Einsatz des Rumpfes, da Vorwärts- bzw. Rückwärtsschläge aus dieser Position heraus ohne die Drehung der Schulterachse nur begrenzt möglich sind. (WHITING, 2002, S. 27)

Aspekte der Bootsbeherrschung in einem Spot


Jede Walze und jede Welle hat ihre individuellen Eigenheiten, die die Fahrweise des Paddlers in unterschiedlicher Weise beeinflussen. Dennoch lässt sich sagen, dass es gewisse Basisfähigkeiten gibt, die als unabdingbar gelten.

Das Kanten


Moderne Freestylekajaks verfügen über aggressive Kanten, welche zum Steuern benutzt werden, wie die Stahlkante eines Skis. Während des Ritts auf einer Welle liegt das Unterschiff nie flach auf der Wasseroberfläche. Anstelle dessen werden die Kanten abwechselnd belastet durch wechselseitiges Anheben der Knie, was als (Auf-) Kanten bezeichnet wird.

 

Dies bedeutet, sobald das linke Knie angehoben, also links aufgekantet, wird kommt es zu einer leichten Gewichtsverlagerung nach rechts und der Bug dreht ebenfalls nach rechts ab, weil die rechte Kante des Unterschiffs wie auf einer Piste „carvt“. Diese Technik ermöglicht Steueraktionen in begrenztem Maß auch ohne Paddel. Zudem lässt sich die eigene Position unter Einsatz der Kanten beeinflussen. Wenn mit der stromauf gerichteten Seite aufgekantet wird, während das Kajak quer zur Fließrichtung steht, versetzt man sich damit auf dem Wellenberg weiter nach oben. (WHITING, 2002, S. 28f)

Der kontrollierte Fahrstil 

 

Der Sportler wird nicht Opfer irgendwelcher Naturgewalt, sondern er ist selbst Akteur und zeigt von ihm geplante Moves. Dies sollte stets die Devise eines Freestyle-Wettkämpfers sein.

 

Notwendig hierfür ist ein ständiger Überblick, der erreicht wird, indem Kopfdrehung und Blickrichtung sämtlichen Manövern vorausgehen. Des Weiteren lässt der geübte Paddler seine Manöver durch optimalen Krafteinsatz geradezu leicht wirken. Dies rührt daher, dass auftretende Kräfte großflächig verteilt werden und Oberkörper und Hüfte unabhängig voneinander arbeiten. Die Unabhängigkeit vereinfacht den Erhalt des Gleichgewichts, während der Rumpfeinsatz die Ausführungen ökonomisiert und folglich optimiert.

 

Die Einbeziehung der gesamten Rumpfmuskulatur in eine Aktion ist ein zentraler Punkt der Paddeltechnik im Allgemeinen. Speziell im Freestyle-Sport bilden die Verwringung von Schulter- und Hüftachse die Voraussetzung der meisten Moves, da der Körper „vorgespannt“ wird und hier bedeutend mehr Kraft aufgebracht werden kann als die Extremitäten alleine zur Verfügung stellen könnten. Am Beispiel des Vorwärtsschlags wird deutlich, welche Bedeutung der Rumpfmuskulatur im Kanusport zukommt. Bei fehlender Körperdrehung bringt ein Arm alleine den größten Teil der Kraft auf, was diesen schnell ermüden lässt. Eine simultane Rotation der gesamten Schulterachse hingegen verteilt die Kräfte auf Bauch-, Brust- und Rückenmuskulatur. Infolgedessen kommt es zu einer späteren Ermüdung der Leistungsmuskulatur und die Kraftreserven des Paddlers reichen aus um mehr Moves hintereinander optimal zu fahren.

 

Abschließend ist das „aktive Blatt“ zu erwähnen. Aufgrund der geringen Länge von Rodeokajaks sind diese nicht besonders spurtreu und verlangen ständige Kontrolle. Deshalb befindet sich beim Surfen stets ein Paddelblatt im Wasser, das zum Steuern benutzt werden kann. (WHITING, 2002, S. 34ff)

Text: Jakob Ehrl